
INBETWEEN – Workaway Tagebuch aus Island
08.03.2012
Die letzten Tage ist nicht ganz so viel passiert, muss ich gestehen. Der Melkalltag hat sich eingeschlichen und im Gegensatz zu den ersten beiden Wochen, wo mir das Melken noch Spaß bereitet hat, wurde es ab Woche 3 täglich schlimmer. Ich frage mich ernsthaft wie man das nur aushält. JEDEN Morgen und JEDEN Abend der exakt gleiche Ablauf. 365 Tage im Jahr ohne Abwechslung.
Wie kann man sich mit Mitte 20 schon für so einen Lebensstil entschieden haben. Ich schwanke zwischen Bewunderung und Mitleid.Spontan mal wegfahren gibts da nicht. Und wenn man doch mal weg möchte, muss man erstmal jemanden finden der Haus+Hof für diese Zeit übernimmt. Es ist ja schon schwierig einen Sitter für meinen Hund Leha zu finden, aber finde mal einen der 60 Kühe übernimmt.
Wie dem auch sei, das Wetter spielt leider auch ganz schön verrückt und seit 3 Tagen gehen Unwetterwarnungen raus. Der Wind peitscht und pfeift mich auf radikalste Weise Nachts aus dem Schlaf und manchmal habe ich Angst, dass Haus könnte jeden Moment wegfliegen.Aber alles ist noch an seinem Platz, trotz Mini-Erdbeben, von dem ich ein Glück nichts mitbekommen habe.
Bei so nem Mistwetter macht auch Reiten nicht mehr ganz so viel Spaß. Das hindert uns aber nicht trotzdem raus zu gehen. Wir waren zwei Mal bei extremsten Wetterverhältnissen unterwegs. Mich hat es fast vom Pferd gehauen, so stürmisch war es und man musste sich richtig gegen den Wind lehnen. Meine erfrorenen Finger konnte ich weder spüren, noch bewegen (obwohl ich 2 Paar Handschuhe hatte) und Hagelkörner ins Gesicht zu bekommen ist ebenfalls sehr unangenehm. Der Boden war teilweise so matschig,dass die Pferde weit über die Knöchel einsanken. Und ausgerechnet bei diesem tollen Wetter wollte Björn mir unbedingt seinen Lieblingsweg zeigen :) Dafür muss man 2 Bäche überqueren und eine extreme Offroad-Strecke bewältigen. Ich fühlte mich wie bei einer Jeep Safari, nur mit Pferden.
Leider hab ich meine kleine Frostross (so heisst das Pferd) nicht über das Gewässer manövrieren können und sie wurde sichtlich nervös. Da musste Björn ein bißchen nachhelfen und meinte ich solle mich einfach nur gut an der Mähne festhalten! Und mit einem riesen Satz landete ich auf der anderen Seite. Klar, man kann ja auch einfach rüber springen :-) Auch wenn sich das jetzt vielleicht unspektakulär anhört, es war wirklich mega aufregend ^^
Ein weiteres Highlight war, dass ich Frostross ohne Sattel reiten durfte bzw sollte. Tja, aber komm erstmal rauf auf so ein Pferdchen, so ganz ohne alles.
Nach 3 gescheiterten Anlauf- und Aufspringversuchen, und 2 mega Lachanfälle wurde mir freundlicher Weise doch geholfen. Und es fühlt sich gut an, noch mehr nach Freiheit als ohnehin schon. Im Sommer sind sie immer ohne Sattel unterwegs beim Schafetreiben. Sehr lässig :)
Am Samtag ging es dann auf eine Party nach Reykjavik. Björn hatte ein Wiedersehenstreffen mit allen seinen Freunden aus dem Norden ( wo sie vorher wohnten) und bat mich ihn und seinen dicken Freund Oskar zu begleiten :) Gerne! Wollen wir doch mal sehen wie die Isländer Party machen! Mit viel Bier, Vodka, O-Saft und selbst gebranntem Wein im Gepäck bzw auf der Rücksitzbank, fuhren wir los, luden noch 3 weitere Freunde ein, bis wir ca. um 1.00 Uhr den “Spot” erreichten. Das Bier war alle, der Vodka nicht ganz…
Nunja, was soll ich sagen – in einem richtigen Club waren wir nicht. Das erinnerte mich alles sehr an den Homecoming-Ball in den Staaten. Mit dem Unterschied, dass der Altersdurchschnitt nicht bei 16 sondern bei 40+ lag! Das hatte ich nicht erwartet. Die anderen auch nicht. Björn verschwand kurz darauf auch ziemlich schnell und nun stand ich da. Inmitten eines riesigen, überfüllten Saales, wusste nicht wo vorne und hinten ist, hielt mich an meinem viel zu teuren Mojito fest und verstand kein Wort. Aber wo macht man erfahrungsgemäß am schnellsten Bekanntschaften – im Raucherbereich! Also fügte ich mich und fing an mir meine Zigarette zu drehen… Ich konnte gar nicht so schnell gucken wieviele Typen aufeinmal ankamen oder sich umdrehten und fragten ob das Gras sei. Ich verneinte. 2 oder 3 von Typen drehten sich wieder weg. Die anderen hingegen waren so fasziniert von dem Phänomen Selbstgedrehte Zigarette und bekamen sich gar nicht mehr ein. So verbrachte ich also den ersten Teil des Abends damit Kippen für fremde Leute zu drehen und erfreute mich an deren Euphorie. Im Gegenzug wurde ich dann tatsächlich den gesamten Abend eingeladen und lernte interessante Menschen kennen. Unter anderem Niels, ein durchschnittlich
gutaussehender Typ mit rotblonden Haare, gut bebaartet ^^ und kariertem Fred Perry Hemd. Ich wollte eigentlich nur smalltalken, doch Niels offenbarte mir sein ganzes Leiden und gestand mir seine Agoraphobie (Angst an öffentlichen Plätzen) und wie sehr es ihm helfe mit mir darüber zu sprechen und endlich mal jemanden gefunden zu haben, der all das akzeptiert und ihn dafür nicht schräg anguckt. Der Arme! Aber ernsthaft nicht das womit ich mich an so einem Abend beschäftigen möchte. Björn holte mich rein zufällig aus dieser Situation und ich versicherte Niels gleich wieder zurück zu sein. Aber ich kam nicht. Nein, ich kehrte nicht zurück. Oh man, das tat mir echt voll leid. Immer noch eigentlich. Sorry Niels!
Währenddessen befand ich mich im Schleudertrauma ,verursacht von Oskar, der zum leidenschaftlichen Tänzer mutiert, sobald er was getrunken hat, und wurde nach vorne, nach hinten, zur seite, links + rechts gewirbelt. Sicherheitsabstand stetig durch den dicken Bauch gewährleistet ^^
Gegegen 6 waren wir dann wieder zuhause und es war letztendlich ein wirklich gelungener Abend, auch wenn ich mir von einem Club etwas anderes erhoffte.
Ach und das allerbeste hätte ich ja beinahe ganz vergessen zu erwähnen:
Ich habe an diesem Abend ein Polarlicht gesehen!!!! Ein grünes, leider relativ kleines, aber immerhin :-)